Abzug aus Afghanistan: So traurig

Seit dem 15.08.2021 stehe ich unter Schock: Die Finsternis ist zurück in Afghanistan. Keine 20 Jahre ist es her, nicht mal eine ganze Generation, und jetzt sind sie zurück: Die menschenverachtenden – und besonders frauenverachtenden – Taliban. Der Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan hat ihnen den Weg frei gemacht.

Nine-Eleven

Alle, die es bewusst erlebt haben, können sich wohl noch gut erinnern: an Nine-Eleven und wo sie damals waren, als sie es erfahren haben. Ich beispielsweise saß in meinem Büro an der Universität (ja, damals noch Universität) Karlsruhe – und habe es trotz Internetanbindung nicht sofort mitbekommen. Erst als mein Vater mich anrief, damals frisch Pensionär mit Zeit zum Fernsehen am Nachmittag gegen 15:00 Uhr, und mir sagte, da sei etwas in New York passiert, konsultierte ich den Browser. Zwar erschien mir völlig unglaubhaft, was er da erzählte, aber ein Anruf von ihm bei mir im Büro war eine derartige Seltenheit, dass klar war, da musste etwas dran sein.

Ich plante für den Abend die Teilnahme an einem Junggesellinnenabschied in Heilbronn und machte mich wenige Stunden später auf den Weg dahin. Bis dahin hatte ich noch zu tun, d.h. der Einsturz der Türme wurde mir erst durch das Autoradio mitgeteilt, das ich natürlich wie bei jeder Autofahrt an hatte (schon allein der Staumeldungen wegen). Ich kann mich noch sehr gut an den Schock erinnern, als mir klar wurde, was man da berichtete. Ich hielt gefühlt die ganze Fahrt die Luft an.

Bilder vom Kollaps der Türme hatte ich bis dahin nicht gesehen. Vor dem geistigen Auge hatte ich nur die ersten Bilder, die ich mit dem Browser abgerufen hatte: das erste Flugzeug, das in den Nordturm „gestürzt“ ist. Es würde auch noch bis spät in die Nacht dauern, bis ich Bilder zu sehen bekam, denn in Heilbronn angekommen, war es erst einmal kein Thema mehr. Schließlich wollte niemand der angehenden Braut den Spaß verderben. Auf der Rückfahrt mitten in der Nacht nahm ich zwangsläufig den Faden mit der Berichterstattung im Autoradio wieder auf. Endlich zuhause machte ich den Fernseher an und sah die Bilder und Filmaufnahmen.

Afghanistan

Mit diesem Tag, wenn auch erst mit dem Zeitversatz von einem zusätzlichen Monat, wurde Afghanistan in mein Bewusstsein gespült. Ich lernte das ein oder andere über dieses Land, über seine Vergangenheit, die Kriege und dass dort das Böse sitzt. Dass es al-Quaida gab, dass es Taliban gab, die ich zu dem Zeitpunkt für mehr oder weniger dieselben finsteren Gestalten hielt. Mir haften noch heute die Berichte der Grausamkeiten an, die die Taliban verübt haben: Öffentlichen Hinrichtungen in Stadien, Auspeitschungen und Demütigung von Frauen, ihre Vollverschleierung. Alles untermauert durch heimliche Kameraaufnahmen, die an die breitere Öffentlichkeit und außer Landes gelangten. Die Vollstrecker glaubten sich im Recht, aus ihrer Sicht lief alles nach dem Recht der Scharia, des Islam, des Koran.

Nichts, was derartig menschenverachtend ist, kann jemals Recht sein

Christen mussten das bereits im Mittelalter schmerzhaft lernen: Hexenverbrennung und Inquisition als Unrechtssprechung auf Basis von Denuntiation, Neid, Missgunst. Zu viele Verbrechen im Namen von Religionen. Wie gern hatte ich meinen weisen Nathan in der Schule gelesen, mein ultimatives Lieblingsstück Literatur während des gesamten Deutschunterrichts meiner schulischen Laufbahn. Auch die Einsichtsfähigkeit des Saladin hatte mich damals ausreichend beeindruckt, so dass ich den Islam für eine lehreinsichtige Religion hielt, die das Zusammenleben der Menschen zu verbessern suchte. Wie andere Religionen auch, dachte ich. Wie naiv ich war.

Nichts davon stimmt. So viel Gewalt und Machtmissbrauch wurde im Namen von Religionen verübt. Gerade an Frauen.

Und jetzt sind sie zurück: die Taliban. Die Frauenverachter. Die Gewalttäter. Das Mittelalter des Islam.

Mission in Afghanistan

Die Mission in Afghanistan, in die die USA Deutschland gezogen haben: Irgendwie wollte ich einfach die letzten knapp 20 Jahre glauben, dass wenigstens Deutschland in Afghanistan den Unterschied macht. Dass wenigstens etwas erreicht werden kann, dass ein Konzept da ist, was man den Leuten vorleben will. Ein Konzept von Freiheit, Menschenrechten, Geschwisterlichkeit, das dauerhaft etabliert werden kann. Es wurde innerhalb weniger Tage hinweg gefegt und seit 15.08.2021 ist in Afghanistan die Steinzeit zurück. Sicher, vermutlich waren alle Bemühungen schon auf Grund der letzten 20 korrupten Jahre zum Hinweggefegtwerden verdammt. Aber nun ist jeder Funke erloschen. Was wird aus den Frauen? Was aus den Mädchen?

Ich weine still. Sprachlos. Ohnmächtig.

Abzug aus Afghanistan

Ohnmacht auch gegenüber der Erkenntnis, dass Deutschland nicht den Unterschied macht. Im Gegenteil. Die Nation ist selbstverliebt, mit sich selbst beschäftigt, unfassbar gut darin, sich etwas vorzumachen, was die eigenen ethischen Grundsätze angeht.

  • Dass sich während der Flutkatastrophe vor 5 Wochen niemand um die Evakuierung deutscher Staatsbürger, Doppelstaatler und vor allem Ortskräften gekümmert hat – geschenkt.
  • Dass ein kriegsunerfahrener Außenminister es nicht hat kommen sehen – geschenkt.
  • Dass sich eine auf halbwegs ethisch gefestigten Füßen stehende Verteidigungsministerin wider besseren Wissens nicht gegenüber dem Rest der Regierung hat Gehör verschaffen und sich durchsetzen können – geschenkt.
  • Dass sich das Parlament unserer Parlamentsarmee 20 Jahre lang den Einsatz entgegen bekannter Nachrichtenlage schön geredet und ihm zugestimmt hat – geschenkt.
  • Dass ein immer gern brachial tönender, grundsätzlich opportunistischer und im Angesicht einer drohenden Bundestagswahl umso intensiver nach rechts schielender Innenminister praktisch noch etwa eine Woche vor der Machtübernahme der Taliban in das ausreichend sichere Afghanistan abschieben wollte – geschenkt.
  • Dass mit der Machtübernahme der Taliban zuallererst mehrere Christdemokraten (und nicht die Rechten von AfD und Konsorten) eine Flüchtlingswelle antizipieren und den Ruf ausstoßen „2015 darf sich nicht wiederholen“, obwohl noch kein Flüchtling da ist, sondern die geplante Evakuierung Deutsche und sog. Ortskräfte im Visier hat, die mitnichten allein reisende, testosterongesteuerte junge Männer, und wie man damit gerne suggerieren will, potentielle Straftäter sind, sondern vergleichsweise gut ausgebildete, der Deutschen Sprache sogar ausgesprochen mächtige Familien mit Frauen und Kindern sind – geschenkt.
  • Dass die Bundeskanzlerin, mehr Pragmatikerin als Visionärin, einen geerbten Krieg, den sie vermutlich nie wollte, nicht beendet, sondern erfolgreich verdrängt hat, zumal in ihrer letzten, so sehr krisengeschüttelten Legislaturperiode, bei der sie sicher tausendfach bereut hat, sich noch einmal zur Wahl gestellt zu haben – geschenkt.
  • Dass die Bundeswehr trotz eines tollen Evakuierungseinsatzes allen Peinlichkeiten dann doch noch eine i-Punkt verpasst und noch vor Frankreich abzieht – geschenkt.

Doch der Abzug aus Afghanistan, zumal so überstürzt, unzureichend und unvollendet, hat uns aus unseren schönen Illusionen heraus katapultiert. Wir, wir ganz persönlich, jeder einzelne von uns, haben sie im Stich gelassen: die afghanischen Frauen, die Mädchen, die Kinder, eine junge Generation, Ortskräfte, die für unsere Soldaten bereit waren, im Alltag ihr Leben zu geben. Wir haben versprochen, und nichts gehalten. Wir haben uns hinter unserer Bürokratie versteckt, denn die kennen wir gut, da sind wir daheim, wir sind ja Deutsche, wir haben die erfunden. Wir haben die bürokratischen Anforderungen noch einmal verschärft, haben Regeln und Prozeduren erfunden, nur um nicht verantwortlich zu sein, nur um keine Entscheidung treffen zu müssen. Wir alle.

Wir sind wie wir immer waren: Bürokraten. Nur so konnte der Holocaust stattfinden, nur so kann man sich so elegant aus der Verantwortung stehlen. Und so stehlen wir uns seit Jahr und Tag aus der Verantwortung. Jetzt werden Menschen darunter zu leiden haben und wir werden nichts mehr tun können.

Ich weine fassungslos.

Zeit der Desillusionierung

Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen! 
Es ist an der Zeit, sich zu desillusionieren!
Es ist an der Zeit, zu retten, was noch gerettet werden kann - auch die afghanischen Frauen!
Wir werden uns nicht ewig auf die USA verlassen können,
wir sind erwachsen und müssen Entscheidungen treffen können.
Es ist an der Zeit, dass sich Deutschland emanzipiert und Visionen entwickelt!
Es ist an der Zeit, dass wir auf Frankreich zugehen und ein Europa 2.0 gründen.
Europa: eine gemeinsame Verfassung auf Basis der Menschenrechte und Menschenwürde!
Europa: eine gemeinsame Außenpolitik!
Europa: eine gemeinsame, verteidigungsfähige Armee!
Es ist an der Zeit!

Vision bleibt Utopie?

Meine Vision einer besseren Welt ist es, dass alle systemisch unterdrückten Frauen und Mädchen ihr System verlassen und woanders Fuß fassen können. Dann bleiben die Unterdrücker unter sich – und rotten sich auf diese Weise selbst aus.

Stunde 0

Tag 0 – Stunde 0. Kontaktsperre.

Draußen wütet das Virus. Karlsruhes Hochhäuser leuchten hell, während ich in der Dunkelheit von der A8 steil hinab rolle – alle Fenster, alle Stockwerke, alle sind zuhause. Es ist 20:00 Uhr.

Ich hole die Post, die letzten Unterlagen und das Laptop aus dem Büro. Gerüstet für HomeOffice. Es soll mindestens 4 Wochen dauern, eher länger, man wird sehen.

Auf der Rückfahrt komme ich an der Landeserstaufnahme-Einrichtung vorbei, LEA. Ein Polizeitaufgebot von mindestens 5 Fahrzeugen davor. Was passiert hier? Werden die Leute evakuiert? Und wenn ja, wohin? Sind dort überhaupt noch Leute, und wenn ja, wie viele? In letzter Zeit habe ich nicht mehr so viele Flüchtlinge beobachtet wie damals 2015/2016, als die große Welle kam.

Es sind weniger Fahrzeuge unterwegs als sonst um diese Zeit. Ich entscheide mich, über Land und nicht über die Autobahn zurück zu fahren.

Kontaktsperre. Ist das nicht übertrieben? Dir wirtschaftlichen Folgen werden die Landes- und Bundesregierungen sicher innerhalb der nächsten Wochen unter Druck setzen. Lange lässt sich das nicht durchhalten. Auch der Gedanke hat etwas für sich, die Bevölkerung „durchinfizieren“ zu lassen. Es heißt, bei mehr als 75% Infizierten sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Rest noch infiziert. Aber Opfer würde es geben – und nicht nur unter der Risikogruppe der älteren oder vorerkrankten Menschen, sondern – wie sich gezeigt hat – auch unter den jüngeren.

Ich mache Kilometer, Felder huschen im Dunkeln an mir vorbei. Ich rolle mit verminderter Geschwindigkeit durch die Dörfer. Die Läden bereits alle geschlossen, aber das ist normal für Sonntage und die Uhrzeit. Hier zeigt die Kontaktsperre, die mit Restaurantschließungen einhergeht, noch kein allzu unübliches Bild. Nur der grell erleuchtete Döner-Laden, in dem der Mann hinter dem Tresen einsam ein Glas trocknet, fällt aus dem Rahmen – weit und breit das leuchtendste Beispiel der Kontaktsperre. Ob der Laden unter normalen Bedingungen in diesem Dorf am Sonntagabend um halb zehn mehr Kunden hätte?

Oder ob der Laden einem anderen Zweck dient? Vielleicht Geldwäsche? Wer betreibt denn in diesem Winzdorf einen Döner-Laden? In einem Dorf aus Jahrhunderte alten Fachwerkhäusern und vermutlich genauso alteingesessenen Familien? Gibt es da Absatz für Döner?

Kontaktsperre, denke ich, als ich in den Wald jenseits des Ortsschildes am Dorfrand eintauche. Davon haben die beiden Wildschweine noch nie etwas gehört, als sie von links über die Fahrbahn in meine Fahrertür donnern.

[Fortsetzung folgt…]

Reform!

Der Souverän sind Fünf Hundert Millionen Europäer. Und als Souverän darf er ein Parlament wählen.

Was der Souverän anscheinend nicht darf:

  • Er darf nicht vor der Wahl genau wissen, wer sein Präsident werden soll, damit er das in der Wahl berücksichtigen kann. Noch viel besser: er muss hinnehmen, dass die, die vor der Wahl als Spitzenkandidaten gehandelt werden, komplett ersetzt werden.
  • Er darf nicht daran zweifeln, dass seine Stimme etwas bewirkt, obwohl die Stimme eines Wählers aus Malta mehr Gewicht hat als die eines Wählers aus Frankreich. Denn es gibt keine europaweiten Parteien und Listen, sondern die Franzosen dürfen nur Listen aus Frankreich wählen, und die Malteser nur Listen aus Malta. Und weil die Malteser so ein kleines Staatsvölkchen sind, muss man die höher gewichten, sonst hätten die nie eine Chance ins Parlament zu kommen.
  • Er darf nicht an den demokratischen Strukturen der Europäischen Union zweifeln, obwohl die eigentliche Regierung aus Kommissaren besteht, die nicht ins Parlament gewählt sind, sondern von den Nationalregierungen ernannt werden, also quasi Beamte sind.
  • Und die demokratischen Strukturen sind auch nicht anzuzweifeln, wenn Herr Macron mit den anderen Nationalstaatschefs am Parlament – und damit an den Wählern – vorbei den Präsidenten der EU auskungelt. Denn die Nationalstaatschefs sind ja demokratisch gewählt, obwohl – halt! – eben nicht von den Europäern, sondern halt nur von den Wählern des jeweiligen Nationalstaats – und da auch nicht von jedem.

Fällt denn den Nationalstaatsregierungen nicht auf, dass das keine demokratischen Prozesse sind, und die europäischen Wähler gerade mit dem jüngsten Husarenstück der Ernennung von der Leyens hinters Licht geführt werden?

Und dass gerade dadurch der pro-europäische Wähler ohnmächtig den Sinn der Europawahl in Frage stellt, sich entmündigt fühlt und Europa irgendwann als unreformierbares, sich selbst erhaltendes Gefüge abschreibt, das nur dazu dient, den Machthunger von Nationalstaatsregierungen und ihrer Protagonisten zu bedienen?

Und dass das am Ende den extremen und radikalen Rechten zuspielt, wenn die pro-Europäer nicht mehr zu Wahl gehen?

Die Ernennung von der Leyens ist der Gipfel der Zumutung an den europäischen Wähler und der Beginn des zu Grabe Tragens einer einst wunderschönen Utopie.

Reform!

  • Europäische Parteien ins Parlament! Jeder Wähler, egal wo, dieselben europäischen Parteien wählen können.
  • Ein Wähler – eine Stimme! Exakt gleiche Gewichtung jeder Stimme – das geht nur mit Europäischen Parteien.
  • Spitzenkandidatenprinzip etablieren! Keine nachträgliche Kungelei der Nationalstaatschefs, denn das ignoriert den Wählerwillen und erklärt die Wähler für unmündig. Das ist undemokratisch und erinnert an das Verhalten von Monarchen. Die europäischen Parteien stellen den Spitzenkandidaten auf und halten sich daran, außer im Falle von Force Majeure.
  • Bildung der Regierung durch die stärkste gewählte Partei! Keine Ernennung von Kommissaren als Regierung durch die Nationalstaaten.
  • Eine echte, verständliche, auf das Wesentliche reduzierte Verfassung! Kein 900-Seiten Vertragswerk (wie vor mehr als 20 Jahren als Verfassung zu propagieren versucht), das kaum ein Wähler je lesen, geschweige denn verstehen kann. Eine Verfassung enthält Gesetze, die kurz und knapp die Grundwerte der Gemeinschaft darstellen und für jeden Europäer les- und von jedem verstehbar ist.
  • Aktivitäten der Europäischen Union auf das Wesentliche reduzieren! Gemeinsame Verteidigung, gemeinsame Außenpolitik, gemeinsamer Wirtschaftsraum, Infrastrukturmaßnahmen, innergemeinschaftliche Entwicklungsprojekte, gemeinsame Klimapolitik. Für ein starkes Europa, das seine Werte auch durchsetzen kann!
  • Ein Parlament und ein Standort! Teures Pendeln zwischen Brüssel und Straßburg alle paar Wochen/jeden Monat – dieses Steuergeld ist doch im Klimaschutz besser angelegt!

Lasst uns endlich zu gleichberechtigten, mündigen Europäern werden – ungeachtet aller Machterhaltungsinteressen der Nationalstaaten und ihrer Staatsspitzen!

Lasst uns endliche unsere nationalstaatlichen Grenzen überwinden!

Europa, mein Herz

Europa, mein Herz
Es tat so weh
zu zu sehn
es war kein Scherz

Liebe Kinder,

stellt Euch mal vor, es ist Bundestagswahl und Frau Merkel steht auf der Unionsliste der Zweitstimme auf Platz 1. Die Zweitstimme, das ist die Stimme, die über die Gewichtung der Parteien im Parlament entscheidet. Die Partei, die also die meisten Zweitstimmen bekommt, wird den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin stellen. Am Wahltagesende liegt die CDU vorn. Wer wird jetzt also Kanzler, respektive Kanzlerin?

Herbert Kunze aus Tuttlingen. Ja, gell, da wundert Ihr Euch. Der Herbert, der ist nämlich überhaupt nicht ins Parlament gewählt worden. Der stand auch nicht auf der Zweitstimmenliste. Der Herbert wird nur deshalb Kanzler, weil den Ministerpräsidenten der Bundesländer die Frau Merkel ordentlich auf den Zeiger gegangen ist und daher nicht mehr gefallen hat. Da musste mal was Neues her.

Und so haben sich die Ministerpräsidenten zusammen gesetzt, ein paar Nächte lang verhandelt, und dann haben sie bestimmt, der Herbert soll es werden. Denn der Herbert hat ja schon Erfahrung als Kultusminister in Baden-Württemberg.

Dann hat der Herbert im Parlament für sich Werbung machen müssen, und ist mit 10 Stimmen mehr als nötig – nötig war die Hälfte der Stimmen im Parlament – gewählt worden.

Absurd? Ist das ABSURD?
Fragt Ihr Euch auch, wie das sein kann?

Ja, eigentlich ist das absurd. Aber ungefähr das ist jetzt in Europa passiert.

Unfreiwillig beigeflichtet

Nie hätte ich gedacht, dass ich diesem Politiker einmal uneingeschränkt beipflichten muss:

„Man hat jahrelang darüber diskutiert, dass die Leute sich zu wenig an der Politik beteiligen und zu wenig interessieren. Und jetzt, wo das etwas dynamisch läuft, sind alle gleich wieder erschrocken. Zum Teil sogar hilflos.“

Horst Seehofer zum Video Die Zerstörung der CDU des Youtubers Rezo, nach der Europawahl am 26.05.2019
https://www.morgenpost.de/politik/article225473047/Rezo-und-CDU-Will-Kramp-Karrenbauer-Youtuber-regulieren.html

Natürlich darf man auch vor einer Wahl seine Meinung verkünden. Schließlich wird ja auch niemandem verboten, vor einer Wahl am Stammtisch zu politisieren.

Auch Youtuber dürfen das. Und – Achtung! – sie sind keine Journalisten, Redakteure, die zur ausgewogenen Darstellung der Meinungsvielfalt per Staatsvertrag verpflichtet sind.

Genau so funktioniert Meinungsbildung auch zu Hause, am Stammtisch, im Freundeskreis: pointierte Reflexion, was versprochen wurde, was gehalten wurde – und wie es gehalten wurde. Im lockeren politischen Diskurs beim Familienfest wird zugespitzt, reduziert, werden Witze gerissen, und wird nicht selten auf sachliche Präzision verzichtet.

Es ist definitiv ein Schritt voran, wenn junge Erwachsene sich Ihrer staatstragenden Rolle als Wähler bewusst werden und sind, und sich entsprechend äußern, ohne gleich die Gewaltkeule zu schwingen. Damit MUSS man als Politiker umgehen können, das Spielen der beleidigten Leberwurst ist dann einfach nur lächerlich.

Abgesehen davon scheinen einige Menschen der Welt junger Erwachsener völlig entfremdet: Die Kunstform eines YT-Zerstörungsvideos wird völlig missverstanden, die Welt der Kommunikation und Informationsbeschaffung in dieser Generation scheint unbekannt oder wird ignoriert – frei nach der Devise „was es früher nicht gab, ist jetzt auch nicht relevant“.

Die 2. Wahl – Hoffnung

Unpolitisch, unengagiert,
Bildung verweigernd, unwissend,
wird verleumdet die Jugend,
von denen sie regiert.
   
    Jetzt demonstrierend,
am Freitag für Zukunft.
Und sonst für Vernunft,
23.000 aktivierend.
Wissenschaft appelliert
mit Fakten, bekannt
seit langem, verkannt,
systematisch negiert.
   
    Den Profis überlassen!
Kommt von Politikern
Hohn ihren Kritikern,
und Ohrfeigen verpassend,
unfassbar ihr Handeln,
selbst nicht professionell,
Altwähler generell
mit Watte ummanteln.
   
    Doch die sterben fort,
wie ihre Technologien,
trotzdem sie ziehen
zu ihrer Macht Hort.
Und diese Hybris!
Auf Objektivität zu pochen,
bei anderen hochkochen,
wenn Quellen ungewiss,
   
    selbst souverän
Fakten ausgeblendet,
umgedeutet, verblendet,
Konsequenzen nicht seh’n.
Endlich verkündet die Jugend,
mit lauter Stimme modern
ihre Meinung, dabei gern
die Regierung provozierend.
   
    Nur verbal, nicht radikal,
nur entlarvend, mit Logik
entwaffnend, spitze Rhetorik,
degradierend zur letzten Wahl.
Was kommt von Regenten?
Schmollen mit Irrationalem,
Meinungsfreiheit vor Wahlen
im Netz zu beschränken.
   
    Artikel 5 im Grundgesetz!
Gerade die 70 gefeiert,
jung wie nie, und leitet,
entlarvt das Geschwätz.
In anderen Ländern die Wahlen
manipuliert durch soziale Bots,
einseitige Radikalität des Worts,
völlig ins Abseits geraten.
   
    Doch Jugend denkt noch, mischt sich ein,
traut sich wieder, Dinge zu sagen,
etwas gegen die Etablierten zu wagen,
wir können so wahnsinnig froh DARÜBER sein!
IPa    

 

Entmenschen

Entmenschen

Menschen entmenscht inhuman
so grausam zerstörend
kein ander Tier ist mordend
um des Mordens zu Gang

Entmenschlichung um uns herum
Gewalt empathielos
jeder jedem fessellos
entmenscht sein darum

Wieder bedrohlich marschieren
die alltäglich hetzen
Benehmen nicht schätzen
denunzieren forcieren

Schon einmal war es im Land
und kommt in Mode
wieder Hass als Methode
verhetzt verbrannt

Und diskutieren die Werte
die keine kennen
sich Opfer nennen
schreiend nach Härte

Entwertet Fremde und Frauen
in der Mehrzahl sicher
stumpfer unmenschlicher
erzwingen Vertrauen 

Die Welt verliert Tränen
Wo bleibt das Benehmen
bitter Gewissen ersehnen

Menschen im Strudel
geschändet besudelt
Entmenschen im Rudel

Schrei die Wand an!

Jeden Tag könnte ich schreien – und es liegt nicht nur am Übersee-Narziß.

Sechzehn Minister einer großen Koalition, davon drei aus der CSU, die dieselbe gerade in Frage stellt, also rund neunzehn Prozent. Sauber!

Das muss man erst einmal hinbekommen: Als Regionalpartei antreten, bezogen auf die Gesamtwählerschaft Deutschlands leicht über sechs Prozent Stimmenanteil erzielen, sich dann fett mit drei Ministern zu neunzehn Prozent in der Großen Koalition einquartieren, obwohl man auch in der Gesamtheit der Regierungskoalition nur etwas über elf Prozent repräsentiert.

Hund san des!

Und dann auch noch offen bayerische Politik in Berlin machen, es nicht einmal ansatzweise zu verbergen suchen, dass man keine Minute lang, mit keiner Faser auch nur im Entferntesten daran denkt, etwas anderes als bayerische Politik zu machen. Und jetzt auch noch damit die aktuelle Bundesregierung in Frage stellen!

Das ist an Egoismus nicht zu überbieten und schlägt sogar den Übersee-Narziß.

Es wird Zeit, mit der bayerischen Überrepräsentanz aufzuräumen. Damit endlich mal etwas voran geht! Würden sowohl CDU als auch CSU in allen Bundesländern antreten, dann wäre es mit der bayerischen Übermacht endlich Essig.

Dann würden auch mal Rheinländer CSU-Abgeordnete mitreden, wenn es darum geht, die Verkehrsinfrastruktur weiter zu entwickeln, und den Ausbau und die Teilvertunnelung der Rheinschiene voran treiben, die bei den CSU-Verkehrsministern der letzten Jahrzehnte (Jawoll, Plural!) aus der Schublade nicht heraus kam, weil sie Bayern ja nicht nützt, sondern vielleicht sogar der bayerischen Autoindustrie oder sonstwem in Bayern schadet. Denn während die Niederlande, die Schweiz und Italien damit fertig sind, und die Hafenachse Genua-Rotterdam bereits freigegeben haben, müssen die Güterzüge durch’s überlastete, deutsche Rheintal schleichen.

Italien! Wir (die Deutschen) müssen sich von den Italienern zeigen lassen, wie man ein Großprojekt zu Ende bringt!

Aber es sind eben keine Bayern, die unter dem Rheinschienenlärm leiden und deren Anwesen einen immensen Wertverlust erlitten haben. Nein, die modernisierte und ausgebaute Rheinschiene würde viele Nutzgüter auf die Schiene verlagern können, weg von der Straße. Und das schadet – zumindest in Teilen – der bayerischen Autoindustrie.

Aber anstelle der wirklich wichtigen Verkehrsinfrastrukturprojekte wurden solche voran getrieben, mit denen entweder keiner gerechnet hat, weil sie keiner braucht (Reform des Punktesystems bei Verkehrsordnungswidrigkeiten und -delikten, Reform der Fahrzeugkennzeichen), oder aber die kaum jemand wollte, weil sie auch wirtschaftlich sinnlos sind (PKW-Maut).

Und jetzt diese Gefahr für die innere Sicherheit namens Seehofer.

Der sich vom Politterroristen Söder vor sich hertreiben lässt. Der Seehofer hat schon immer schnell sein Fähnchen gewendet, ein echter Populist. Immer gewahr, wo der Plebs am Stammtisch lamentiert. Aber da hat ihm der Söder den Rang abgelaufen, quasi entmachtet. Was liegt da näher, als den Frust über die Niederlage weiter zu geben und andere dafür verantwortlich zu machen? Die Merkel, die CDU, die anderen Parteien, und besonders die Existenz der AfD. An der eigenen, bescheuerten, durch Unterlassung glänzenden Bundespolitik liegt’s nie, nö?

Ja, soll jetzt ganz Deutschland warten und leiden, bis die Bayern da heuer gewählt haben? Warum lassen wir das mit uns machen?

Wer weiß denn schon, was hinter diesem ominösen Masterplan des Seehofer steckt? Vielleicht einfach nur der Plan, wie man am besten eine politische Vertrauenskrise herbei führt. Selbst wenn die CSU dadurch die Landtagswahl in Bayern erneut mit absoluter Mehrheit gewinnen würde, eine Schwächung der bundesdeutschen Regierung kann nur von äußerst kurzsichtigen bayerischen Politikern gewollt sein. Aber, wer weiß, vielleicht spekuliert man in der Staatskanzlei nach langer Zeit wieder auf den Kanzlerposten?

Nur darf man sich dabei nicht verrechnen, das ist schon einmal grandios gescheitert. Aber vielleicht wäre eine entsprechende Kanzlerkandidatur auch etwas Heilsames: die Mehrheit der Wähler wüsste wieder ganz genau, was sie nicht wählen wollen.

Lasst uns wieder echte Demokratie herstellen – Schluss mit dieser halbseidenen Union. Gleiches Recht für alle: CDU und CSU in allen Bundesländern!

Wer weiß, vielleicht würde sich dann auch die AfD wieder in Luft auflösen. Die Konservativen rechts-außen hätten dann überall im ganzen Land wieder eine demokratische Heimat. Und eines kann man selbst der CSU nicht vorwerfen, dass sie antidemokratisch und mit Nazis durchsetzt wäre.

 

Daten

Er hatte drei Kommandozeilen-Terminals geöffnet, zwischen denen er in kurzen Abständen hin und her wechselte. Der Raum war nurmehr schummrig beleuchtet, sein Bildschirm und der schwache Schein einer entfernten Straßenlaterne ließen ihn die Zeichen auf der Tastatur nicht mehr erkennen. In der hereinbrechenden Dämmerung hatte er sich nicht aufraffen können, zum Lichtschalter zu gehen. Jetzt aber war die Nacht bereits angebrochen.

Rhythmisch schoben sich Zeilen mit Zeichenketten und Text nach oben. Die Bewegung wirkte wie ein lautloses Kammertrio aus Terminalfenstern, die gemeinsam musizierten. Lange und kurze Verweilzeiten des stechend leuchtenden Textes, bis sich die nächste Zeile von unten ins Bild drängte, wirkten wie wechselnd lange Noten, die mal in der einen, mal in der anderen Partiturzeile eines Terminals zu spielen waren. Nicht hörbar ergab es doch eine Melodie durch die pulsierende Textlänge der dargestellten Zeilen.

Während das dritte Terminal, einem Basso Continuo gleichend, die längsten Töne spielte, um gleichsam den anderen Stimmen Orientierung zu geben, wetteiferten die beiden übrigen in schnellem Wechsel um die Führungsrolle der Melodie. Hier ein Kompiliervorgang mit unfassbar schnellen und zuweilen sehr langsamen Zeilen- und Textlängenwechseln, deren Inhalt jedoch bislang einen erwartungsgemäßen und daher beruhigenden Verlauf zeigte,  dort ein kontinuierliches, ja nahezu stoisches Hinaufrutschen von Zahlenkolonnen, deren Inhalt wiederum auch bei nur schwacher Veränderung für Höchstspannung sorgte.

Die Darbietung wurde nicht unangenehm ergänzt durch das leise Klack der Tabulatortaste, wodurch er von einem Terminalfenster zum nächsten wechselte, und das Säuseln des Lüfters, der den Prozessor kühlte, und der gerade dann, wenn beim Kompiliervorgang die Melodie nahezu zum Stillstand kam, am meisten zu tun hatte und einen schrilleren Ton annahm, der im nächsten Moment auch wieder erstarb.

So sehr Terminal 2 auch Spannung erzeugte, so sehr forderte nun der vergangene Tag Tribut und es fielen ihm zunehmend öfter die Augen zu. Nein, einschlafen durfte er nicht. Zu bedeutungsvoll war das, worauf er wartete, ja geradezu lauerte. Was würde werden, wenn sich sein Verdacht bestätigte?

[Fortsetzung folgt…]