Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil IV – Gleichheit

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 3

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html

Ich liebe Artikel 3(3): Niemand, aber auch wirklich niemand darf bevorzugt oder benachteiligt werden!

Es fällt den Nazis schwer:

Nazis dürfen nicht bevorzugt werden! Und sogenannte Biodeutsche auch nicht! Wer hätte das gedacht? Wer “remigrieren” lässt, lässt deportieren, benachteiligt auf Grund von Heimat und Herkunft, ist nachweislich nicht konform mit GG Art. 3(3), IST demnach Verfassungsfeind!

Es fällt allen Anderen schwer:

Auch Nazis dürfen nicht benachteiligt werden! Das war’s also mit “Nazis raus!”-Wünschen, die werden wir so schnell nicht los, es sei denn, sie gehen von selbst. Wer würde sie schon nehmen und sich diese Filzläuse in den Pelz setzen wollen? Wir haben keinen andere Wahl: Wir müssen uns mit ihnen und allen die den Weg dahin eingeschlagen haben, im engeren Sinne die Masse an AfD-Wählern, auseinander setzen. Warum scheint sich eine wachsende Menge für rechte Parolen zu begeistern, in einem Land, in dem vieles gut, mindestens aber gar nicht so schlecht läuft, vergleicht man es mal mit denjenigen Ländern, von wo die Flüchtlinge aufbrechen und hierher kommen? Was sind ihre Ängste, die obskur erscheinen und kaum objektiven Kriterien standhalten?

GG Art. 3(3) ist Versprechen und Drohung zugleich.

Und wenn wir schon dabei sind: Ich bin auch ein echter Fan von GG Art. 3(2). Überhaupt bin ich ein Fan des Grundgesetzes. Eine der größten Errungenschaften unseres Landes nach Überleben des zweiten Weltkriegs.

Habt Dank, Ihr Mütter und Väter des Grundgesetzes! Man beneidet uns allerorten darum! Ich halte es mit Sebastian Krumbiegel von den Prinzen:

Quelle: Sebastian Krumbiegel, https://www.takt-magazin.de/musik/ich-bin-grundgesetz-ultra-sebastian-krumbiegel-im-interview_308950

Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil III – Freiheit der Person

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 2

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html

… aber auch:

  • Freiheit von Einzelnen endet dort, wo die Freiheit von Anderen beginnt!
  • Leben und leben lassen!
  • Reden und reden lassen!
  • Was Du nicht willst, das man Dir tu’, das füg auch keiner And’ren zu!
  • Normalos respektieren LGBTQIA+

Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil II – Menschenwürde

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 1 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_1.html

Nichts davon wird von den auf CORRECTIV enthüllten Plänen ultrarechter Kräfte, insbesondere in der AfD, zur “Remigration” – also Deportation – eingehalten. Die Menschenwürde ist auch für ultrarechte Kräfte unantastbar, Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet uns jedoch alle, diese Unantastbarkeit gegenüber allen von allen einzufordern. Ausnahmslos.

Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil I

Der jüngste Protestwelle, die nach der CORRECTIV-Recherche zu den sog. Remigrationsplänen rechtsradikaler Kräfte durch die Republik wanderte, die mit einem verharmlosenden Begriff nichts Anderes als Deportationspläne in großem Stil darstellen, veranlasst mich, 30 Jahre nach meiner Schulzeit, erneut einen näheren Blick auf unser Grundgesetz – die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – werfen.

Wir haben hier einen Goldschatz in Händen, woran rechtsradikale, neonazisitische Kräfte Hand anlegen wollen – direkt und indirekt. Um diesen Goldschatz – und in der Konsequenz um die starke Position unseres Verfassungsgerichts, welchem sich Exekutive und Legislative beugen müssen – werden wir von anderen Ländern beneidet. Um diesen Goldschatz haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes schwer gerungen, und dennoch ist ihnen ein großer Wurf gelungen, der seinesgleichen in der Welt sucht.

Die Deportationspläne stellen Gewissheiten in Frage, und bringen – endlich – diejenigen – wie mich – final auf die Palme, die mit dem Geschichtsverständnis aufgewachsen sind, dass es so etwas nie wieder auf deutschem Boden geben darf. Denn wehret den Anfängen, früher oder später geraten alle ins Visier der Deportationsbefürworter.

Alle, die wir heute hier leben, haben einen Migrationshintergrund. Es gibt nicht die Deutsche oder den Deutschen. Wir sind alle eine bunte Mischung. Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus dem Schwarzwald, der andere aus Polen. Meines Mannes Vorfahren stammen aus Hessen, Österreich und Tschechien. Ich bin mir sicher, wenn man die Ahnentafeln der derzeit führenden rechtsradikalen Vordenker näher beleuchtet, sieht es dort kaum anders aus. Sie müssten also nach ihrer Logik unter den Ersten sein, die gehen müssten. 

Sie sind auf Zerstörung aus, sie wollen unsere Demokratie, unsere Freiheit zerstören – und stellen unser Grundgesetz in Frage. Aber wir und das Grundgesetz sind wehrhafter als mancher glaubt. Drum werde ich mich jetzt einen Monat lang mit dem ersten Teil unseres Grundgesetzes beschäftigen, den sog. Grundrechten.

Fehler?

Um mein Abitur herum war ich eingefleischte Pazifistin. Ich hielt es für einen Fehler, wenn sich meine Schulkameraden für den Wehrdienst anstelle des Zivildienstes entschieden. Ich war der festen Überzeugung, dass Militär überflüssig ist – und stetig überflüssig gemacht werden muss – und Diplomatie – Kompromisse finden und eingehen – das einzig Wahre ist, was hilft, was Kriege verhindert und beendet.

Fremdbestimmt

Entscheidend für diese Einstellung war der Blickwinkel des Fremdbestimmten, d.h. ein Staat, repräsentiert durch eine in ungebührlicher Weise an Macht gelangte Einzelperson oder Clique, die ihre Gewaltphantasien – wahlweise egoistisch, selbstverliebt oder durchgeknallt – auslebt, schickt Leute, die das gar nicht wollen, in einen herbei geredeten Konflikt um des Konflikts willen, um der Kriegsmaschinerie willen, ungeachtet des Leids, das sie diesen Leuten und ihren Angehörigen zufügt. Meine Einstellung passte ganz zu Reinhard Meys Lied “Alle Soldaten woll’n nach Haus”, was auch mein Lebensgefühl als Teenager widerspiegelte, der im kalten Krieg aufwuchs.

Tatsächlich ist dieses Lied noch immer richtig. Nichtsdestotrotz beleuchtet es nur einen Blickwinkel einer kriegerischen Auseinandersetzung. Und zwar den eines an sich sinnlosen Krieges, der nur das Ego einzelner bedient und über Leid und Leichen der großen Masse geht. Nicht wenige Eroberungskriege der Menschheit dürften von solchen Elementen dominiert worden sein. Mithin stellt sich auch die Frage nach dem Sinn und Unsinn der Verehrung historischer Figuren als “groß”, die sich vorwiegend über ihre kriegerischen Auseinandersetzungen und ihre Eroberungsfeldzüge definieren. 

Heute mehr als in meinen “revolutionären Zeiten” als Teenager halte ich es für nicht zielführend, solchen Figuren Anerkennung zu zollen. Trotzdem habe ich im Lauf der Jahre gelernt, meine Einstellung zu Krieg zu differenzieren, da mein damaliger Blickwinkel fehlerhaft, nämlich zu pauschal und kategorisch in Bezug auf die Frage, wer wann von wem fremdbestimmt ist, war. Auch erkläre ich heute nicht mehr jeden für dumm, der zur Bundeswehr geht, und ich schaue mit Sorge auf die Aussetzung der Wehrpflicht, die einerseits der Bundeswehr Rückhalt in der breiten Gesellschaft sicherte und andererseits für eine Durchmischung gesellschaftlicher Gruppierungen und politischer Einstellungen innerhalb der Bundeswehr sorgte und so der militärischen Elitenbildung mit Raum für rechtsextreme Strömungen entgegenwirkte. Militärisch-strategisch mag die Aussetzung der Wehrpflicht sinnvoll sein, gesellschaftlich ist sie ein Fehler.

Zeitenwende im Denken

Der offizielle Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine am 24. Februar 2022, dem 107. Geburtstag meiner Oma, hat endgültig alle Pauschalität im Denken auf den Kopf gestellt. Wir, ich, haben fest daran geglaubt, dass Reden, Verhandeln, Verträge, wirtschaftliche Verflechtungen verhindern, dass Krieg zu uns kommt. Es hat lange anscheinend gut funktioniert. Das ein oder andere Unbehagen, dass das diese Vorstellung möglicherweise ein Fehler ist, mag man gespürt haben, wenn man die Entwicklungen rund um den IS-Mob im nahen Osten verfolgt hat, oder vom Abzug westlicher Truppen aus Afghanistan erschüttert wurde, der finsterstes Mittelalter nach Afghanistan und für die afghanischen Frauen zurück brachte: Was wenn die Gegenpartei einfach Gewalt und Krieg vom Zaun bricht und sich nicht verhandlungsbereit zeigt? Ja, gar Verhandlungen als Schwäche interpretiert und gerade dann noch einmal Anlauf nimmt?

Wir, ich, sind von einem unbedingt rationalen Gegenüber ausgegangen. Wir haben erfahren, wie ratlos wir sind, wenn das Gegenüber nicht rational ist bzw. nicht nach unseren Maßstäben rational handelt. Manche mögen Putin und seine Clique noch immer für rational halten. Die Verbreitung von einschlägiger Propaganda und offensichtlichen Lügen (es ist schon schwer auszuhalten, dass ein ukrainischer Präsident mit jüdischen Wurzeln als Nazi herab gewürdigt wird), die sehr eigene Dynamik in dieser Gruppe, all das weist auf einen massiven Realitätsverlust hin und entbehrt in vielerlei Hinsicht einer stringenten Rationalität. Was also tun, wenn das Gegenüber angreift und gar nicht daran denkt, verhandeln zu wollen?

Die offensichtlichste Herangehensweise ist es doch, den Spieß der Fremdbestimmtheit umzukehren und das Gegenüber in eine Lage zu zwingen, die ihm die Sinnhaftigkeit von Verhandlungen nahebringt, ja quasi zu jenem berüchtigten, unablehnbaren Angebot macht. Das Gegenüber muss seinen Fehler erkennen und zugeben. Es stellt sich die Frage nach dem besten, effizientesten Weg dorthin!

Ist es ein Fehler, der Ukraine Waffen zu liefern?

Ja und nein.

Ja, weil wir als Gesellschaft noch kein klares Konzept haben, was genau wir damit erreichen wollen, wie weit wir wirklich gehen wollen. Wir sollten uns nicht einreden, keine Kriegspartei zu sein, denn in gewisser Weise sind wir es, weil wir Partei ergriffen haben. Wir als Gesellschaft müssen uns mit jeder gelieferten Waffe im Klaren sein, dass wir etwas unterstützen – und verteidigen – das für uns in hohem Maße sinnvoll ist. Im Grunde wissen wir, die Ukraine verteidigt für uns die Demokratie, und indirekt als eine Art Vorposten unsere geografischen Grenzen. Ganz konkret auch unsere deutschen Grenzen, die der Aggressor bereits mit markiger Rhetorik ins Auge gefasst hat. Dennoch müssen wir uns klar werden, wie weit wir gehen wollen. Sind wir im Ernstfall bereit, das auch direkt auf unserem Gebiet, vor unserer Haustür zu verteidigen?

Nein, weil wir Zeit gewinnen müssen, um sowohl die Ukraine als auch uns als westliche Demokratien in die Lage zu versetzen, das nicht ablehnbare Angebot machen zu können, zumindest, wenn uns Demokratie, ihre Werte und unsere Grenzen wichtig sind. Das geht in diesem Fall nur militärisch und über Waffen. Damit sind wir als Gesellschaft bereits mittendrin, und es ist höchste Eisenbahn, konzeptionell zu erarbeiten, was unsere gesamtgesellschaftliche Strategie ist. Das sollten wir uns eingestehen, alles Andere ist naiv.

Sind die neuen Friedensbewegungen und ihre Ziele hinsichtlich Stopp der Waffenlieferungen und sofortigen Verhandlungen realistisch?

Ja und nein.

Ja, da es naiv ist zu behaupten, allein die Ukraine entscheide, wann sie verhandeln will. Meine Zeit in Vietnam hat mich gelehrt, dass das Unfug ist. Insofern ist die empathielose Argumentation der neuen Friedensbewegten, dass man über die Ukraine (hinweg) mit dem Aggressor verhandeln und damit seinen Interessen mindestens teilweise zustimmen solle, nicht ganz unrealistisch. Kaum vergleichbar in der Sache, aber auch über Vietnam haben vorrangig die Stellvertreter verhandelt.

Nein, weil der Aggressor eine Strategie der Machtdemonstration verfolgt und Verhandlungen als Schwäche interpretiert, sie für ihn also nur dann akzeptabel sind, wenn sie seine Interessen in Gänze bedienen. Die Waffenlieferungen dienen der Umkehrung dieser Betrachtungsweise.  Gerne wird von den neuen Friedensbewegten der erste Weltkrieg mit seinem sinnlosen Stellungskampf an der Westfront als Parallele heran gezogen. Jedoch hinkt dieser Vergleich, da er nur einen Teil des Konflikts beschreibt. Der andere Teil lässt sich durch offensichtliche Parallelen mit dem zweiten Weltkrieg abbilden, wo ebenfalls ein Aggressor – zunächst erfolgreich – Nachbarländer überfallen hat, und erst nach sechs (!) Jahren Krieg durch eine Gruppe von Willigen, den Alliierten, zur Einsicht der Sinnlosigkeit seines Handelns gebracht werden konnte.

Ironie der Geschichte: Auch Russland – und gerade die Ukrainer – als Teil der Sowjetunion gehörte zu diesen Willigen. Übrigens, das sollte nicht unerwähnt bleiben, hat sich die Führungsclique Nazi-Deutschlands dem Erleben der Folgen ihres Tuns weitgehend durch Suizid entzogen. Welche Parallele ist nun näher an der heutigen Realität?

Im Hintergrund

Ich persönlich gehe davon aus, dass viele Diplomaten im Hintergrund damit beschäftigt sind, den Hebel zu suchen, der Verhandlungen in diesem Krieg ermöglicht. Die vereinzelten Anrufe eines Präsidenten Macron im Kreml belegen dies. Chapeau hierfür! Schließlich holt sich Monsieur Macron regelmäßig ein Füllhorn irritierender Aussagen ab. Bis es also soweit ist, dass Verhandlungen insbesondere von Seiten des Kreml wirklich ernsthaft geführt werden, haben wir kaum eine andere Wahl – konträr zu den Forderungen der neuen Friedensbewegten – als Zeit zu gewinnen, indem wir Widerstand leisten und auch Waffen liefern, um für die Demokratie, ihre Werte und unsere geografischen Grenzen einzustehen.

Ich habe mich bereits dabei ertappt, Russland dafür zu danken, der Nato wieder Ziel und Orientierung gegeben zu haben. Und zugleich auch der EU vorgeführt zu haben, dass es ein sträflicher Fehler ist, einer zumindest halbwegs geeinten Außen- und Verteidigungspolitik, die auch unabhängig von den USA agieren kann, bisher keine höhere Priorität eingeräumt zu haben.

Friedensbewegung oder Befriedungsbewegung – das ist die Frage!

Die Forderungen der neuen Friedensbewegten halte ich in ihrer Pauschalität zum jetzigen Zeitpunkt für unrealistisch und naiv. Sie werden nicht zu Frieden, sondern zu Befriedung zunächst der Ukraine führen. Es möge sich an den Latein-Unterricht erinnern, wer wissen will, was Befriedung heißt: Auch die Pax Romana war kein Friede, sondern die Befriedung – ergo Unterwerfung und Beherrschung – eroberter Gebiete und Völker. Ein Pseudo-Friede, der uns möglicherweise eine Zeitlang in trügerischer Sicherheit wiegt, wer weiß wie lange. Die Frage, wie wir uns hinsichtlich Verteidigung in Zukunft aufstellen, und was wir tun, wenn einestages auch unsere Grenzen derartig verletzt werden, ist damit noch keineswegs vom Tisch.

Nein, ich halte die Befriedung der Ukraine für keinen nachhaltigen Ausweg, und die Lieferung von Waffen zum jetzigen Zeitpunkt und bis auf Weiteres – bis zu einem erkennbaren Einlenken des Aggressors, sei es durch die derzeitig Führung oder eine nachfolgende – für keinen Fehler, sondern für geboten.

Und doch – es kann natürlich schief gehen. Eines ist aber auch klar: Wir sind bereits Teil der westlich-demokratischen Alliierten der Ukraine – und die Vorgehensweise, selbst wenn uns noch Eskalationen bevor stehen, ist kein Fehler, solange diese Allianzen unverbrüchlich stehen!

Die 2. Wahl – Hoffnung

Unpolitisch, unengagiert,
Bildung verweigernd, unwissend,
wird verleumdet die Jugend,
von denen sie regiert.
   
    Jetzt demonstrierend,
am Freitag für Zukunft.
Und sonst für Vernunft,
23.000 aktivierend.
Wissenschaft appelliert
mit Fakten, bekannt
seit langem, verkannt,
systematisch negiert.
   
    Den Profis überlassen!
Kommt von Politikern
Hohn ihren Kritikern,
und Ohrfeigen verpassend,
unfassbar ihr Handeln,
selbst nicht professionell,
Altwähler generell
mit Watte ummanteln.
   
    Doch die sterben fort,
wie ihre Technologien,
trotzdem sie ziehen
zu ihrer Macht Hort.
Und diese Hybris!
Auf Objektivität zu pochen,
bei anderen hochkochen,
wenn Quellen ungewiss,
   
    selbst souverän
Fakten ausgeblendet,
umgedeutet, verblendet,
Konsequenzen nicht seh’n.
Endlich verkündet die Jugend,
mit lauter Stimme modern
ihre Meinung, dabei gern
die Regierung provozierend.
   
    Nur verbal, nicht radikal,
nur entlarvend, mit Logik
entwaffnend, spitze Rhetorik,
degradierend zur letzten Wahl.
Was kommt von Regenten?
Schmollen mit Irrationalem,
Meinungsfreiheit vor Wahlen
im Netz zu beschränken.
   
    Artikel 5 im Grundgesetz!
Gerade die 70 gefeiert,
jung wie nie, und leitet,
entlarvt das Geschwätz.
In anderen Ländern die Wahlen
manipuliert durch soziale Bots,
einseitige Radikalität des Worts,
völlig ins Abseits geraten.
   
    Doch Jugend denkt noch, mischt sich ein,
traut sich wieder, Dinge zu sagen,
etwas gegen die Etablierten zu wagen,
wir können so wahnsinnig froh DARÜBER sein!
IPa    

 

Ökosysteme

Ökosystem – das ist DAS Schlagwort, das heute für jeden mehr oder weniger großen Mikrokosmos der menschlichen Interaktion beschreibt. Besonders beliebt ist der Begriff für Gründerszenen, aber auch in anderen Zusammenhängen taucht er auf.

Interessant wird der Begriff erst, wenn man das eigene Ökosystem einmal verlässt. Nicht nur kurz, sondern für mehr als einen Monat. Kehrt man zurück, bewertet man die Interaktionsmechanismen ganz neu, denn man stellt fest, andere Ökosysteme funktionieren ganz anders. Und funktionieren auch. Erstaunlicherweise.

Als ich zu Beginn der 2000er Jahre nach meinem einjährigen Aufenthalt aus Vietnam zurück kam, stellte ich fest, dass ich mich sehr daran gewöhnt hatte, dass ich keinen Preis für etwas, was ich erwerben wollte, akzeptieren sollte, sondern stattdessen mit dem Anbieter von Angesicht zu Angesicht verhandeln sollte.  Ich stellte bei meiner Rückkehr fest, dass das hierzulande völlig aus der Mode gekommen ist – obwohl die theoretischen Voraussetzungen, eine Lockerung von Preisbindungen , durchaus gegeben und sogar intensiviert worden waren. Theoretisch bestand also die Möglichkeit, im Supermarkt oder im Warenhaus zu verhandeln. Aber wer machte das schon, wer wollte sich die Zeit dafür nehmen?

Ich gewöhnte mich erstaunlich schwer wieder daran. Denn es drängte sich mir das Gefühl auf, dass es nicht mehr darum geht, einen Kunden glücklich zu machen. Mein Gefühl sagte im Gegenteil, dass der Kunde eine Hochleistungskuh ist, die dazu da ist, permanent gemolken zu werden.

Im Anschluss an meine Rückkehr – ich kam im Frühsommer zurück – machten wir eine zweiwöchige Rundreise durch den Schwarzwald, völlig ohne Vorabbuchung. Und auch ohne Zelt, den zelten stellt für mich keinen Urlaub dar, da ich es nicht leiden kann, mir im Urlaub das Frühstück selbst zubereiten und zu den Duschen und Toiletten eine Wanderung einplanen zu müssen.

Wir suchten uns also Hotels oder Pensionen und logierten ein paar Tage hier oder da und zogen dann wieder weiter. Da ich nicht sofort meine vietnamesische Verhandlungshaut abstreifen konnte, verhandelte ich die Hotelzimmerpreise. Ich ging vor wie in Vietnam: Ich fragte an der Rezeption, ob man im Hotel noch ein Zimmer habe, und wenn ja, bat ich darum, es sehen zu dürfen. Das tat ich dann. Im Zimmer ließ ich mir sagen, was es kosten sollte und schlug dann – in aller Regel mit meinem verschmitztesten Lächeln, das ich so drauf hatte – einen günstigeren Preis vor. Beim ersten Versuch sah ich meinem Mann schon an, dass er sich jetzt am liebsten verkriechen und am liebsten zum Ausdruck bringen würde, er gehöre nicht zu mir.

Nicht minder groß war sein Erstaunen, dass das funktionierte! Ein Hoch auf die Schwarzwälder Hotelrezeptionisten, die offensichtlich Entscheidungsbefugnis hatten und auch wahrnahmen!

Im selben Jahr bereitete mir der vorweihnachtliche Umtrieb physische Schmerzen. Ich kam mir nicht mehr nur wie eine Kuh vor, sondern wie Teil einer Masse, die es auszuquetschen galt und nahezu schon ausgequetscht war, wenn es in den Medien darum ging, die Umsätze beim Weihnachtsshopping zu prognostizieren und eventuelle Rückgänge und das Darben der Handelsindustrie zu bejammern. Ich kann mich bis heute noch nicht dafür erwärmen, dem darbenden Handel meine vorweihnachtlichen Einkünfte zu spendieren, sondern unterstütze lieber geeignete Hilfsorganisationen.

Ich kaufe auch heute noch lieber gerne Sachen, die die nächsten 20 Jahre halten – und werde leider immer weniger fündig. Selbst beim Auto wird es schwierig, solide Arbeit zu finden. Belastete Teile wie Zahnräder oder Hülsen, z.B. bei Fensterhebern, werden aus Kunststoff gefertigt, der nach nahezu vorhersehbar wenigen Jahren bricht, ganz gleich, wie teuer das Fahrzeug war. Stoßstangen werden in Fahrzeugfarbe lackiert, was ihnen ihre Funktion nimmt, denn der kleinste Stoß führt zu einem Kratzer, der zum Ersetzen der ganzen Front oder des Hecks führt. Kostenpunkt je nach Fahrzeug zwischen 500 und 2000 Euro.

Und jetzt wieder zurück zum Ökosystem: mit Hilfe der modernen Technologien wird Jagd auf Daten gemacht, die unser Verhalten, unsere Vorlieben offenlegen. Es wird danach getrachtet, uns personalisierte Werbung einzublenden, und – ganz analog – uns in Zeiten von Wahlen nur mit denjenigen Meinungen zu konfrontieren, die wir eh schon haben.

Wenn wir uns auf dieses Spiel kollektiv einlassen, und so sieht es derzeit aus, dann werden wir wirklich zu dieser tumben Masse, die ein paar wenige haben wollen, um sie so richtig, ordentlich ausquetschen zu können. Eine Masse, die verlernt hat, zu hinterfragen. Die verlernt hat, in Frage zu stellen. Die verlernt hat, ihre Meinung zu ändern und dazu zu lernen.

Wir werden dann in Schubladen, Ökosysteme, Mikrokosmen verschoben, so wie es z.B. Marktforschungsinstitute schon viele Jahre machen, und können nie wieder daraus entkommen.

Meinungsbildung wird verknappt und kostbar. In der großen Masse werden Meinungen statisch, ein Lernen findet nicht mehr statt. Meinungen werden zementiert. Auf diese Weise tragen moderne Medien, die sich auch soziale Medien nennen, dazu bei, dass ein soziales Miteinander aus der Mode kommt, Konfrontation geschürt wird, und sich damit Demokratie und ihr wesentlicher Freiheitsbegriff – die demokratische Diskussion – leise verabschieden.

Ich habe früher oft gedacht, es ist schade, wenn ich einst sterben werde, da ich dann die tollen nächsten Entwicklungen und Entdeckungen nicht mehr mitbekommen werde. Heute denke, es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass ich am Ende meiner Tage keine Lust mehr habe, diese Entwicklungen und ihre Auswüchse weiter erleben zu wollen. Vor allem werde ich möglicherweise froh sein, mich nicht mehr als geschundene Hochleistungskuh zu fühlen.

Das einjährige Wechseln in ein anderes Ökosystem hat mir die Angst davor genommen, Dinge anders zu machen, als andere, also die Angst vor Veränderung. Denn eins ist klar: Dinge können auch anders gut funktionieren, vielleicht sogar besser.

Wenn ich mir den aktuellen Wahlkampf betrachte, dann ist eines auch offensichtlich: Für gravierende Veränderung steht keiner der Kandidaten und keine der Parteien, am ehesten für minimal inkrementelle. Selbst wenn sie wollten, erst einmal gewählt, finden Sie ein Ökosystem vor, das von einer ganzen Reihe von Mitspielern dominiert wird, die ein Interesse daran haben, dass keine Veränderung stattfindet. Und so wird im Vorfeld der Wunsch nach Veränderung gar nicht erst geäußert, um den Aufschrei – den Shitstorm – zu vermeiden. Die ultra-rechten oder -linken Flügel sind hiervon am allerwenigsten ausgenommen. Den sie haben sich bereits jetzt als unfassbar meinungszementierend, lernunfähig und Veränderungsängste schürend erwiesen. Die Fähigkeit, neue Lösungen zu entwickeln, die die Interaktion in unseren Ökosystemen verbessern, ist nicht vorhanden.

Verbesserung ist immer auch Veränderung braucht immer auch Demokratie ist immer auch demokratische Diskussion ist immer auch Freiheit.