Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil III – Freiheit der Person

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 2

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_2.html

… aber auch:

  • Freiheit von Einzelnen endet dort, wo die Freiheit von Anderen beginnt!
  • Leben und leben lassen!
  • Reden und reden lassen!
  • Was Du nicht willst, das man Dir tu’, das füg auch keiner And’ren zu!
  • Normalos respektieren LGBTQIA+

Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil II – Menschenwürde

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Artikel 1 

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Quelle: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_1.html

Nichts davon wird von den auf CORRECTIV enthüllten Plänen ultrarechter Kräfte, insbesondere in der AfD, zur “Remigration” – also Deportation – eingehalten. Die Menschenwürde ist auch für ultrarechte Kräfte unantastbar, Artikel 1 des Grundgesetzes verpflichtet uns jedoch alle, diese Unantastbarkeit gegenüber allen von allen einzufordern. Ausnahmslos.

Mein Monat mit dem Grundgesetz – Teil I

Der jüngste Protestwelle, die nach der CORRECTIV-Recherche zu den sog. Remigrationsplänen rechtsradikaler Kräfte durch die Republik wanderte, die mit einem verharmlosenden Begriff nichts Anderes als Deportationspläne in großem Stil darstellen, veranlasst mich, 30 Jahre nach meiner Schulzeit, erneut einen näheren Blick auf unser Grundgesetz – die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland – werfen.

Wir haben hier einen Goldschatz in Händen, woran rechtsradikale, neonazisitische Kräfte Hand anlegen wollen – direkt und indirekt. Um diesen Goldschatz – und in der Konsequenz um die starke Position unseres Verfassungsgerichts, welchem sich Exekutive und Legislative beugen müssen – werden wir von anderen Ländern beneidet. Um diesen Goldschatz haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes schwer gerungen, und dennoch ist ihnen ein großer Wurf gelungen, der seinesgleichen in der Welt sucht.

Die Deportationspläne stellen Gewissheiten in Frage, und bringen – endlich – diejenigen – wie mich – final auf die Palme, die mit dem Geschichtsverständnis aufgewachsen sind, dass es so etwas nie wieder auf deutschem Boden geben darf. Denn wehret den Anfängen, früher oder später geraten alle ins Visier der Deportationsbefürworter.

Alle, die wir heute hier leben, haben einen Migrationshintergrund. Es gibt nicht die Deutsche oder den Deutschen. Wir sind alle eine bunte Mischung. Ein Teil meiner Vorfahren stammt aus dem Schwarzwald, der andere aus Polen. Meines Mannes Vorfahren stammen aus Hessen, Österreich und Tschechien. Ich bin mir sicher, wenn man die Ahnentafeln der derzeit führenden rechtsradikalen Vordenker näher beleuchtet, sieht es dort kaum anders aus. Sie müssten also nach ihrer Logik unter den Ersten sein, die gehen müssten. 

Sie sind auf Zerstörung aus, sie wollen unsere Demokratie, unsere Freiheit zerstören – und stellen unser Grundgesetz in Frage. Aber wir und das Grundgesetz sind wehrhafter als mancher glaubt. Drum werde ich mich jetzt einen Monat lang mit dem ersten Teil unseres Grundgesetzes beschäftigen, den sog. Grundrechten.

Sprachlos

Der letzte Militäreinsatz, der mir die Sprache geraubt hat, und zu dem ich mich trotzdem geäußert habe, liegt gerade mal ein halbes Jahr zurück: 26.08.2021, Abzug aus Afghanistan, jetzt 24.02.2022, Angriff auf die Ukraine. Oder sollte ich besser sagen: Überfall auf die Ukraine?

Wer in Deutschland kennt ihn nicht, den Satz, womit einst durch Deutschlands Ur-Diktator der Überfall auf Polen am 01.09.1939 begründet wurde? Die Uhrzeit, die dieser Satz enthält, gleicht so fatal derjenigen des ersten Einschlags am 24.02.2022 in der Ukraine, dass es einem wie Sodbrennen aufstoßen muss: Da versucht einer die Geschichte zu wiederholen! Da hat sich einer ein Vorbild angeeignet, von dem ich glaubte, es sei allgemeiner Konsens, dass dies ausschließlich als Antivorbild taugt. Da operiert einer am Rande des völligen Wahnsinns, der ultimativen Großmannssucht, unkalkulierbar: der perfekte 007-Antagonist, durchgeknallt, empathielos, perfide, zerstörungswütig.

Geschichte wiederholt sich doch – so ähnlich

Am 26.08.2021 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Hubschrauber, die Verzweifelte von Dächern retten, denen martialische Krieger auf den Fersen sind, hatten wir visuell in ähnlicher Choreographie Ende April 1975 gesehen, es folgten finstere Zeiten in Vietnam, und noch finstere in Kambodia, ein Land, das nominell am Vietnamkrieg, der in Vietnam übrigens “Amerikanischer Krieg” genannt wird, nicht beteiligt war. Die finsteren Zeiten, vor allem für die Frauen, dauern in Afghanistan weiter an, ja verfinstern sich weiter.

Am 24.02.2022 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Überfall auf die Ukraine zwar, aber Uhrzeit und Konstellation suggerieren eine absichtsvolle Symbolik, auf dass auch alle Welt sicher weiß, von welchem Anspruch die Operation getrieben ist. Genauso absurd begründet, hanebüchen, durchgeknallt.

Vor der Haustür

Und diesmal ist es so nah: Ein sich selbst überschätzender Diktator, der in seinem näheren Umfeld niemanden mehr hat, der ihm Einhalt gebietet und die Sinnlosigkeit seines Tuns zu artikulieren wagt, der sich seine eigene Wirklichkeit, ja Blase, strickt und seine nächsten Schritte daran ausrichtet, mag diese Wirklichkeit auch noch so weit von der Realität entfernt sein. Ein solcher Diktator verfügt über Atomwaffen und droht unverhohlen damit, bedroht diesen Kontinent Europa. In besonderem Maße verlässt er sich dabei auf das – im Nachhinein betrachtet besonders naive – Deutschland: Die Europäer werden sich schon nicht zum Gegenschlag aufschwingen, das wird mit Deutschland nicht zu machen sein, und wenn doch, so sind sie doch militärisch betrachtet ein Leichtgewicht. Leider scheint er auch recht zu haben.

Nach dem fünften Angriffstag scheint es zumindest so, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen sich gegen den geplanten Blitzkrieg stellen, und das sogar mit einem gewissen Erfolg. Gewinnen können werden sie wohl nur mit einem langen Atem und viel einfallsreicher Guerillataktik. Je länger sie durchhalten, aufhalten, anhalten, erhalten, desto größer wird die Chance, den verteidigten Boden behalten zu können, auch wenn alles, was darauf steht, ein durchgeknallter Aggressor – wiedereinmal, und diesmal ist es sogar ein “Bruder” – in Schutt und Asche legt.

Abzug aus Afghanistan: So traurig

Seit dem 15.08.2021 stehe ich unter Schock: Die Finsternis ist zurück in Afghanistan. Keine 20 Jahre ist es her, nicht mal eine ganze Generation, und jetzt sind sie zurück: Die menschenverachtenden – und besonders frauenverachtenden – Taliban. Der Abzug der westlichen Truppen aus Afghanistan hat ihnen den Weg frei gemacht.

Nine-Eleven

Alle, die es bewusst erlebt haben, können sich wohl noch gut erinnern: an Nine-Eleven und wo sie damals waren, als sie es erfahren haben. Ich beispielsweise saß in meinem Büro an der Universität (ja, damals noch Universität) Karlsruhe – und habe es trotz Internetanbindung nicht sofort mitbekommen. Erst als mein Vater mich anrief, damals frisch Pensionär mit Zeit zum Fernsehen am Nachmittag gegen 15:00 Uhr, und mir sagte, da sei etwas in New York passiert, konsultierte ich den Browser. Zwar erschien mir völlig unglaubhaft, was er da erzählte, aber ein Anruf von ihm bei mir im Büro war eine derartige Seltenheit, dass klar war, da musste etwas dran sein.

Ich plante für den Abend die Teilnahme an einem Junggesellinnenabschied in Heilbronn und machte mich wenige Stunden später auf den Weg dahin. Bis dahin hatte ich noch zu tun, d.h. der Einsturz der Türme wurde mir erst durch das Autoradio mitgeteilt, das ich natürlich wie bei jeder Autofahrt an hatte (schon allein der Staumeldungen wegen). Ich kann mich noch sehr gut an den Schock erinnern, als mir klar wurde, was man da berichtete. Ich hielt gefühlt die ganze Fahrt die Luft an.

Bilder vom Kollaps der Türme hatte ich bis dahin nicht gesehen. Vor dem geistigen Auge hatte ich nur die ersten Bilder, die ich mit dem Browser abgerufen hatte: das erste Flugzeug, das in den Nordturm “gestürzt” ist. Es würde auch noch bis spät in die Nacht dauern, bis ich Bilder zu sehen bekam, denn in Heilbronn angekommen, war es erst einmal kein Thema mehr. Schließlich wollte niemand der angehenden Braut den Spaß verderben. Auf der Rückfahrt mitten in der Nacht nahm ich zwangsläufig den Faden mit der Berichterstattung im Autoradio wieder auf. Endlich zuhause machte ich den Fernseher an und sah die Bilder und Filmaufnahmen.

Afghanistan

Mit diesem Tag, wenn auch erst mit dem Zeitversatz von einem zusätzlichen Monat, wurde Afghanistan in mein Bewusstsein gespült. Ich lernte das ein oder andere über dieses Land, über seine Vergangenheit, die Kriege und dass dort das Böse sitzt. Dass es al-Quaida gab, dass es Taliban gab, die ich zu dem Zeitpunkt für mehr oder weniger dieselben finsteren Gestalten hielt. Mir haften noch heute die Berichte der Grausamkeiten an, die die Taliban verübt haben: Öffentlichen Hinrichtungen in Stadien, Auspeitschungen und Demütigung von Frauen, ihre Vollverschleierung. Alles untermauert durch heimliche Kameraaufnahmen, die an die breitere Öffentlichkeit und außer Landes gelangten. Die Vollstrecker glaubten sich im Recht, aus ihrer Sicht lief alles nach dem Recht der Scharia, des Islam, des Koran.

Nichts, was derartig menschenverachtend ist, kann jemals Recht sein

Christen mussten das bereits im Mittelalter schmerzhaft lernen: Hexenverbrennung und Inquisition als Unrechtssprechung auf Basis von Denuntiation, Neid, Missgunst. Zu viele Verbrechen im Namen von Religionen. Wie gern hatte ich meinen weisen Nathan in der Schule gelesen, mein ultimatives Lieblingsstück Literatur während des gesamten Deutschunterrichts meiner schulischen Laufbahn. Auch die Einsichtsfähigkeit des Saladin hatte mich damals ausreichend beeindruckt, so dass ich den Islam für eine lehreinsichtige Religion hielt, die das Zusammenleben der Menschen zu verbessern suchte. Wie andere Religionen auch, dachte ich. Wie naiv ich war.

Nichts davon stimmt. So viel Gewalt und Machtmissbrauch wurde im Namen von Religionen verübt. Gerade an Frauen.

Und jetzt sind sie zurück: die Taliban. Die Frauenverachter. Die Gewalttäter. Das Mittelalter des Islam.

Mission in Afghanistan

Die Mission in Afghanistan, in die die USA Deutschland gezogen haben: Irgendwie wollte ich einfach die letzten knapp 20 Jahre glauben, dass wenigstens Deutschland in Afghanistan den Unterschied macht. Dass wenigstens etwas erreicht werden kann, dass ein Konzept da ist, was man den Leuten vorleben will. Ein Konzept von Freiheit, Menschenrechten, Geschwisterlichkeit, das dauerhaft etabliert werden kann. Es wurde innerhalb weniger Tage hinweg gefegt und seit 15.08.2021 ist in Afghanistan die Steinzeit zurück. Sicher, vermutlich waren alle Bemühungen schon auf Grund der letzten 20 korrupten Jahre zum Hinweggefegtwerden verdammt. Aber nun ist jeder Funke erloschen. Was wird aus den Frauen? Was aus den Mädchen?

Ich weine still. Sprachlos. Ohnmächtig.

Abzug aus Afghanistan

Ohnmacht auch gegenüber der Erkenntnis, dass Deutschland nicht den Unterschied macht. Im Gegenteil. Die Nation ist selbstverliebt, mit sich selbst beschäftigt, unfassbar gut darin, sich etwas vorzumachen, was die eigenen ethischen Grundsätze angeht.

  • Dass sich während der Flutkatastrophe vor 5 Wochen niemand um die Evakuierung deutscher Staatsbürger, Doppelstaatler und vor allem Ortskräften gekümmert hat – geschenkt.
  • Dass ein kriegsunerfahrener Außenminister es nicht hat kommen sehen – geschenkt.
  • Dass sich eine auf halbwegs ethisch gefestigten Füßen stehende Verteidigungsministerin wider besseren Wissens nicht gegenüber dem Rest der Regierung hat Gehör verschaffen und sich durchsetzen können – geschenkt.
  • Dass sich das Parlament unserer Parlamentsarmee 20 Jahre lang den Einsatz entgegen bekannter Nachrichtenlage schön geredet und ihm zugestimmt hat – geschenkt.
  • Dass ein immer gern brachial tönender, grundsätzlich opportunistischer und im Angesicht einer drohenden Bundestagswahl umso intensiver nach rechts schielender Innenminister praktisch noch etwa eine Woche vor der Machtübernahme der Taliban in das ausreichend sichere Afghanistan abschieben wollte – geschenkt.
  • Dass mit der Machtübernahme der Taliban zuallererst mehrere Christdemokraten (und nicht die Rechten von AfD und Konsorten) eine Flüchtlingswelle antizipieren und den Ruf ausstoßen “2015 darf sich nicht wiederholen”, obwohl noch kein Flüchtling da ist, sondern die geplante Evakuierung Deutsche und sog. Ortskräfte im Visier hat, die mitnichten allein reisende, testosterongesteuerte junge Männer, und wie man damit gerne suggerieren will, potentielle Straftäter sind, sondern vergleichsweise gut ausgebildete, der Deutschen Sprache sogar ausgesprochen mächtige Familien mit Frauen und Kindern sind – geschenkt.
  • Dass die Bundeskanzlerin, mehr Pragmatikerin als Visionärin, einen geerbten Krieg, den sie vermutlich nie wollte, nicht beendet, sondern erfolgreich verdrängt hat, zumal in ihrer letzten, so sehr krisengeschüttelten Legislaturperiode, bei der sie sicher tausendfach bereut hat, sich noch einmal zur Wahl gestellt zu haben – geschenkt.
  • Dass die Bundeswehr trotz eines tollen Evakuierungseinsatzes allen Peinlichkeiten dann doch noch eine i-Punkt verpasst und noch vor Frankreich abzieht – geschenkt.

Doch der Abzug aus Afghanistan, zumal so überstürzt, unzureichend und unvollendet, hat uns aus unseren schönen Illusionen heraus katapultiert. Wir, wir ganz persönlich, jeder einzelne von uns, haben sie im Stich gelassen: die afghanischen Frauen, die Mädchen, die Kinder, eine junge Generation, Ortskräfte, die für unsere Soldaten bereit waren, im Alltag ihr Leben zu geben. Wir haben versprochen, und nichts gehalten. Wir haben uns hinter unserer Bürokratie versteckt, denn die kennen wir gut, da sind wir daheim, wir sind ja Deutsche, wir haben die erfunden. Wir haben die bürokratischen Anforderungen noch einmal verschärft, haben Regeln und Prozeduren erfunden, nur um nicht verantwortlich zu sein, nur um keine Entscheidung treffen zu müssen. Wir alle.

Wir sind wie wir immer waren: Bürokraten. Nur so konnte der Holocaust stattfinden, nur so kann man sich so elegant aus der Verantwortung stehlen. Und so stehlen wir uns seit Jahr und Tag aus der Verantwortung. Jetzt werden Menschen darunter zu leiden haben und wir werden nichts mehr tun können.

Ich weine fassungslos.

Zeit der Desillusionierung

Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen! 
Es ist an der Zeit, sich zu desillusionieren!
Es ist an der Zeit, zu retten, was noch gerettet werden kann - auch die afghanischen Frauen!
Wir werden uns nicht ewig auf die USA verlassen können,
wir sind erwachsen und müssen Entscheidungen treffen können.
Es ist an der Zeit, dass sich Deutschland emanzipiert und Visionen entwickelt!
Es ist an der Zeit, dass wir auf Frankreich zugehen und ein Europa 2.0 gründen.
Europa: eine gemeinsame Verfassung auf Basis der Menschenrechte und Menschenwürde!
Europa: eine gemeinsame Außenpolitik!
Europa: eine gemeinsame, verteidigungsfähige Armee!
Es ist an der Zeit!

Vision bleibt Utopie?

Meine Vision einer besseren Welt ist es, dass alle systemisch unterdrückten Frauen und Mädchen ihr System verlassen und woanders Fuß fassen können. Dann bleiben die Unterdrücker unter sich – und rotten sich auf diese Weise selbst aus.

Die 2. Wahl – Hoffnung

Unpolitisch, unengagiert,
Bildung verweigernd, unwissend,
wird verleumdet die Jugend,
von denen sie regiert.
   
    Jetzt demonstrierend,
am Freitag für Zukunft.
Und sonst für Vernunft,
23.000 aktivierend.
Wissenschaft appelliert
mit Fakten, bekannt
seit langem, verkannt,
systematisch negiert.
   
    Den Profis überlassen!
Kommt von Politikern
Hohn ihren Kritikern,
und Ohrfeigen verpassend,
unfassbar ihr Handeln,
selbst nicht professionell,
Altwähler generell
mit Watte ummanteln.
   
    Doch die sterben fort,
wie ihre Technologien,
trotzdem sie ziehen
zu ihrer Macht Hort.
Und diese Hybris!
Auf Objektivität zu pochen,
bei anderen hochkochen,
wenn Quellen ungewiss,
   
    selbst souverän
Fakten ausgeblendet,
umgedeutet, verblendet,
Konsequenzen nicht seh’n.
Endlich verkündet die Jugend,
mit lauter Stimme modern
ihre Meinung, dabei gern
die Regierung provozierend.
   
    Nur verbal, nicht radikal,
nur entlarvend, mit Logik
entwaffnend, spitze Rhetorik,
degradierend zur letzten Wahl.
Was kommt von Regenten?
Schmollen mit Irrationalem,
Meinungsfreiheit vor Wahlen
im Netz zu beschränken.
   
    Artikel 5 im Grundgesetz!
Gerade die 70 gefeiert,
jung wie nie, und leitet,
entlarvt das Geschwätz.
In anderen Ländern die Wahlen
manipuliert durch soziale Bots,
einseitige Radikalität des Worts,
völlig ins Abseits geraten.
   
    Doch Jugend denkt noch, mischt sich ein,
traut sich wieder, Dinge zu sagen,
etwas gegen die Etablierten zu wagen,
wir können so wahnsinnig froh DARÜBER sein!
IPa    

 

Die Wahl

Dafür dagegen
Du hast eine Wahl
Freiheit gegeben
täglich gewahr

Mit jeder Wahl ein Muss
ihre Freiheit sichernd
vielen nicht mehr bewusst
leichtfertig entpflichtet

Wahlmöglichkeit hart erstritten
allzu selbstverständlich
einst ohne Wahl gelitten
das Volk vergisst bedenklich

Laut keine Wahl gerufen
Alternativen entfesselt
unterschwellig Hilfe rufend
Wahlfreiheit gefesselt

Du hast eine Wahl
möglicherweise nicht groß
mit Bedacht zur Wahl
gibt Freiheit neuen Sproß

Ökosysteme

Ökosystem – das ist DAS Schlagwort, das heute für jeden mehr oder weniger großen Mikrokosmos der menschlichen Interaktion beschreibt. Besonders beliebt ist der Begriff für Gründerszenen, aber auch in anderen Zusammenhängen taucht er auf.

Interessant wird der Begriff erst, wenn man das eigene Ökosystem einmal verlässt. Nicht nur kurz, sondern für mehr als einen Monat. Kehrt man zurück, bewertet man die Interaktionsmechanismen ganz neu, denn man stellt fest, andere Ökosysteme funktionieren ganz anders. Und funktionieren auch. Erstaunlicherweise.

Als ich zu Beginn der 2000er Jahre nach meinem einjährigen Aufenthalt aus Vietnam zurück kam, stellte ich fest, dass ich mich sehr daran gewöhnt hatte, dass ich keinen Preis für etwas, was ich erwerben wollte, akzeptieren sollte, sondern stattdessen mit dem Anbieter von Angesicht zu Angesicht verhandeln sollte.  Ich stellte bei meiner Rückkehr fest, dass das hierzulande völlig aus der Mode gekommen ist – obwohl die theoretischen Voraussetzungen, eine Lockerung von Preisbindungen , durchaus gegeben und sogar intensiviert worden waren. Theoretisch bestand also die Möglichkeit, im Supermarkt oder im Warenhaus zu verhandeln. Aber wer machte das schon, wer wollte sich die Zeit dafür nehmen?

Ich gewöhnte mich erstaunlich schwer wieder daran. Denn es drängte sich mir das Gefühl auf, dass es nicht mehr darum geht, einen Kunden glücklich zu machen. Mein Gefühl sagte im Gegenteil, dass der Kunde eine Hochleistungskuh ist, die dazu da ist, permanent gemolken zu werden.

Im Anschluss an meine Rückkehr – ich kam im Frühsommer zurück – machten wir eine zweiwöchige Rundreise durch den Schwarzwald, völlig ohne Vorabbuchung. Und auch ohne Zelt, den zelten stellt für mich keinen Urlaub dar, da ich es nicht leiden kann, mir im Urlaub das Frühstück selbst zubereiten und zu den Duschen und Toiletten eine Wanderung einplanen zu müssen.

Wir suchten uns also Hotels oder Pensionen und logierten ein paar Tage hier oder da und zogen dann wieder weiter. Da ich nicht sofort meine vietnamesische Verhandlungshaut abstreifen konnte, verhandelte ich die Hotelzimmerpreise. Ich ging vor wie in Vietnam: Ich fragte an der Rezeption, ob man im Hotel noch ein Zimmer habe, und wenn ja, bat ich darum, es sehen zu dürfen. Das tat ich dann. Im Zimmer ließ ich mir sagen, was es kosten sollte und schlug dann – in aller Regel mit meinem verschmitztesten Lächeln, das ich so drauf hatte – einen günstigeren Preis vor. Beim ersten Versuch sah ich meinem Mann schon an, dass er sich jetzt am liebsten verkriechen und am liebsten zum Ausdruck bringen würde, er gehöre nicht zu mir.

Nicht minder groß war sein Erstaunen, dass das funktionierte! Ein Hoch auf die Schwarzwälder Hotelrezeptionisten, die offensichtlich Entscheidungsbefugnis hatten und auch wahrnahmen!

Im selben Jahr bereitete mir der vorweihnachtliche Umtrieb physische Schmerzen. Ich kam mir nicht mehr nur wie eine Kuh vor, sondern wie Teil einer Masse, die es auszuquetschen galt und nahezu schon ausgequetscht war, wenn es in den Medien darum ging, die Umsätze beim Weihnachtsshopping zu prognostizieren und eventuelle Rückgänge und das Darben der Handelsindustrie zu bejammern. Ich kann mich bis heute noch nicht dafür erwärmen, dem darbenden Handel meine vorweihnachtlichen Einkünfte zu spendieren, sondern unterstütze lieber geeignete Hilfsorganisationen.

Ich kaufe auch heute noch lieber gerne Sachen, die die nächsten 20 Jahre halten – und werde leider immer weniger fündig. Selbst beim Auto wird es schwierig, solide Arbeit zu finden. Belastete Teile wie Zahnräder oder Hülsen, z.B. bei Fensterhebern, werden aus Kunststoff gefertigt, der nach nahezu vorhersehbar wenigen Jahren bricht, ganz gleich, wie teuer das Fahrzeug war. Stoßstangen werden in Fahrzeugfarbe lackiert, was ihnen ihre Funktion nimmt, denn der kleinste Stoß führt zu einem Kratzer, der zum Ersetzen der ganzen Front oder des Hecks führt. Kostenpunkt je nach Fahrzeug zwischen 500 und 2000 Euro.

Und jetzt wieder zurück zum Ökosystem: mit Hilfe der modernen Technologien wird Jagd auf Daten gemacht, die unser Verhalten, unsere Vorlieben offenlegen. Es wird danach getrachtet, uns personalisierte Werbung einzublenden, und – ganz analog – uns in Zeiten von Wahlen nur mit denjenigen Meinungen zu konfrontieren, die wir eh schon haben.

Wenn wir uns auf dieses Spiel kollektiv einlassen, und so sieht es derzeit aus, dann werden wir wirklich zu dieser tumben Masse, die ein paar wenige haben wollen, um sie so richtig, ordentlich ausquetschen zu können. Eine Masse, die verlernt hat, zu hinterfragen. Die verlernt hat, in Frage zu stellen. Die verlernt hat, ihre Meinung zu ändern und dazu zu lernen.

Wir werden dann in Schubladen, Ökosysteme, Mikrokosmen verschoben, so wie es z.B. Marktforschungsinstitute schon viele Jahre machen, und können nie wieder daraus entkommen.

Meinungsbildung wird verknappt und kostbar. In der großen Masse werden Meinungen statisch, ein Lernen findet nicht mehr statt. Meinungen werden zementiert. Auf diese Weise tragen moderne Medien, die sich auch soziale Medien nennen, dazu bei, dass ein soziales Miteinander aus der Mode kommt, Konfrontation geschürt wird, und sich damit Demokratie und ihr wesentlicher Freiheitsbegriff – die demokratische Diskussion – leise verabschieden.

Ich habe früher oft gedacht, es ist schade, wenn ich einst sterben werde, da ich dann die tollen nächsten Entwicklungen und Entdeckungen nicht mehr mitbekommen werde. Heute denke, es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass ich am Ende meiner Tage keine Lust mehr habe, diese Entwicklungen und ihre Auswüchse weiter erleben zu wollen. Vor allem werde ich möglicherweise froh sein, mich nicht mehr als geschundene Hochleistungskuh zu fühlen.

Das einjährige Wechseln in ein anderes Ökosystem hat mir die Angst davor genommen, Dinge anders zu machen, als andere, also die Angst vor Veränderung. Denn eins ist klar: Dinge können auch anders gut funktionieren, vielleicht sogar besser.

Wenn ich mir den aktuellen Wahlkampf betrachte, dann ist eines auch offensichtlich: Für gravierende Veränderung steht keiner der Kandidaten und keine der Parteien, am ehesten für minimal inkrementelle. Selbst wenn sie wollten, erst einmal gewählt, finden Sie ein Ökosystem vor, das von einer ganzen Reihe von Mitspielern dominiert wird, die ein Interesse daran haben, dass keine Veränderung stattfindet. Und so wird im Vorfeld der Wunsch nach Veränderung gar nicht erst geäußert, um den Aufschrei – den Shitstorm – zu vermeiden. Die ultra-rechten oder -linken Flügel sind hiervon am allerwenigsten ausgenommen. Den sie haben sich bereits jetzt als unfassbar meinungszementierend, lernunfähig und Veränderungsängste schürend erwiesen. Die Fähigkeit, neue Lösungen zu entwickeln, die die Interaktion in unseren Ökosystemen verbessern, ist nicht vorhanden.

Verbesserung ist immer auch Veränderung braucht immer auch Demokratie ist immer auch demokratische Diskussion ist immer auch Freiheit.