Krieg und Frieden

Ein Einzelner und seine Ergebenen
schaffen Leid um Leid.
Im Osten nicht Neues,
Einschläge in Serie gereiht,
Orte zerstört, die Eingeebneten.
Nahtlos am Jahresübergang
herrscht weiter Krieg!
Im Osten nichts Neues,
zunehmend in Schutt liegt,
was in Monaten nicht gelang.
Zuweilen der Ruf nach Verhandlung
mit planvollem Angreifer,
im Osten nichts Neues,
am langen Tisch unreife
Machtspiele und Tatsachenverwandlung.
Wieder einmal ein alter weißer Mann
terrorisiert die Welt.
Im Osten nichts Neues,
nichts dazu gelernt, er zählt
verbrecherisch die Toten seiner Hand.
Frieden in weiter Ferne, denn er will
den historischen Konflikt.
Im Osten nichts Neues,
solange er nach Westen blickt,
Europa, vielleicht speziell wir, im Ziel.
Parallelen zu den letzten Kriegen:
Sie verteidigen uns besonders,
im Osten dann Neues,
wenn unsere Nachschubströme woanders,
im Zerreden und Zaudern versiegen.
Friedensbewegte Vorstellung, keiner gehe hin, 
von der Realität eingeholt,
im Westen nun Neues,
kollektive Naivität überrollt,
Maximen über Bord, so ergibt Aufrüstung Sinn.
Die Frage noch immer nicht laut ausgesprochen,
sind wir bereit, im Ernstfall selbst zu gehen?
Im Westen schon Neues?
Was werden wir opfern, was werden wir geben?
Gilt noch, was Grundgesetz einst versprochen?
Viel mehr Auto- als Demokratien in der Welt,
alte neue Systemrivalität,
weltweit nichts Neues,
das Verteidigen erlernen gerät
zur aufgezwungen neuen Maxime, die nun zählt.

Sprachlos

Der letzte Militäreinsatz, der mir die Sprache geraubt hat, und zu dem ich mich trotzdem geäußert habe, liegt gerade mal ein halbes Jahr zurück: 26.08.2021, Abzug aus Afghanistan, jetzt 24.02.2022, Angriff auf die Ukraine. Oder sollte ich besser sagen: Überfall auf die Ukraine?

Wer in Deutschland kennt ihn nicht, den Satz, womit einst durch Deutschlands Ur-Diktator der Überfall auf Polen am 01.09.1939 begründet wurde? Die Uhrzeit, die dieser Satz enthält, gleicht so fatal derjenigen des ersten Einschlags am 24.02.2022 in der Ukraine, dass es einem wie Sodbrennen aufstoßen muss: Da versucht einer die Geschichte zu wiederholen! Da hat sich einer ein Vorbild angeeignet, von dem ich glaubte, es sei allgemeiner Konsens, dass dies ausschließlich als Antivorbild taugt. Da operiert einer am Rande des völligen Wahnsinns, der ultimativen Großmannssucht, unkalkulierbar: der perfekte 007-Antagonist, durchgeknallt, empathielos, perfide, zerstörungswütig.

Geschichte wiederholt sich doch – so ähnlich

Am 26.08.2021 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Hubschrauber, die Verzweifelte von Dächern retten, denen martialische Krieger auf den Fersen sind, hatten wir visuell in ähnlicher Choreographie Ende April 1975 gesehen, es folgten finstere Zeiten in Vietnam, und noch finstere in Kambodia, ein Land, das nominell am Vietnamkrieg, der in Vietnam übrigens “Amerikanischer Krieg” genannt wird, nicht beteiligt war. Die finsteren Zeiten, vor allem für die Frauen, dauern in Afghanistan weiter an, ja verfinstern sich weiter.

Am 24.02.2022 dachte ich, die Geschichte hat sich wiederholt: Überfall auf die Ukraine zwar, aber Uhrzeit und Konstellation suggerieren eine absichtsvolle Symbolik, auf dass auch alle Welt sicher weiß, von welchem Anspruch die Operation getrieben ist. Genauso absurd begründet, hanebüchen, durchgeknallt.

Vor der Haustür

Und diesmal ist es so nah: Ein sich selbst überschätzender Diktator, der in seinem näheren Umfeld niemanden mehr hat, der ihm Einhalt gebietet und die Sinnlosigkeit seines Tuns zu artikulieren wagt, der sich seine eigene Wirklichkeit, ja Blase, strickt und seine nächsten Schritte daran ausrichtet, mag diese Wirklichkeit auch noch so weit von der Realität entfernt sein. Ein solcher Diktator verfügt über Atomwaffen und droht unverhohlen damit, bedroht diesen Kontinent Europa. In besonderem Maße verlässt er sich dabei auf das – im Nachhinein betrachtet besonders naive – Deutschland: Die Europäer werden sich schon nicht zum Gegenschlag aufschwingen, das wird mit Deutschland nicht zu machen sein, und wenn doch, so sind sie doch militärisch betrachtet ein Leichtgewicht. Leider scheint er auch recht zu haben.

Nach dem fünften Angriffstag scheint es zumindest so, dass die Ukrainer und Ukrainerinnen sich gegen den geplanten Blitzkrieg stellen, und das sogar mit einem gewissen Erfolg. Gewinnen können werden sie wohl nur mit einem langen Atem und viel einfallsreicher Guerillataktik. Je länger sie durchhalten, aufhalten, anhalten, erhalten, desto größer wird die Chance, den verteidigten Boden behalten zu können, auch wenn alles, was darauf steht, ein durchgeknallter Aggressor – wiedereinmal, und diesmal ist es sogar ein “Bruder” – in Schutt und Asche legt.